Harley Davidson FL1200 – Electra Glide, Baujahr 1972

Harley Davidson FL 1200 Electra Glide

Harley Davidson FL1200 – Electra Glide, Baujahr 1972

Warum eine Harley ?

Als meine Sammlung immer größer wurde und ich selbst begriffen hatte, dass ich ein „Problem“ bekommen würde, wenn ich alle beliebigen Motorräder, die ich als „Schnäppchen“ erachtete, zusammenkaufte, begann ich mir Gedanken zu machen, wo die Reise hingehen sollte und welche Modelle ich in meiner Sammlung haben wollte. Das Ergebnis davon werde ich nicht verraten, denn meine Frau könnte diese Zeilen lesen und mich dann, wenn mir mal ganz ungeplant ein weiteres Motorrad ins Auge fällt, mit meiner eigenen Definition konfrontieren. Dabei muss ich aber offen und ehrlich sagen, dass sie überaus tolerant gegenüber meinen Spinnereien ist.

Aber was auf jeden Fall klar war: Eine Harley musste in die Sammlung gehören. Viele sehen eine Harley Davidson als DAS ULTIMATIVE Motorrad an, andere eher als den Traktor unter den Motorrädern, der den Japanern nicht im Ansatz das Wasser reichen kann. Jeder kann darüber denken, wie er will. ABER… der SOUND ist einfach unvergleichlich und je lauter, desto besser.😄

Natürlich sollte es eine aus den 70er Jahren sein, also eine Shovelhead-Motorgeneration. Mich hätten auch ältere Modelle grundsätzlich interessiert, allerdings hätte ich Angst, einen Knoten im Hirn zu bekommen, wenn ich an Handschaltung, Kupplung am Fuß und solche Dinge denke

Also schaute ich immer wieder in die App meiner Träume und Verzweiflung (Willhaben), um zu sehen, was sich da so alles findet. Mir war klar, dass die Preise im oberen Segment angesiedelt waren. Außerdem wollte ich keine fertig hergerichtete Maschine, sondern etwas zum Herrichten und Schrauben. Es sollte aber auch nicht komplett verbastelt sein.

Der Fund einer Electra Glide

Ich hatte eine Electra Glide im Auge, die jemand gleich bei mir um die Ecke verkaufte. Eigentlich uninteressant, da komplett in Schuss und mit Pickerl. (Für die deutschen Leser: Pickerl = die jährliche §57a-Überprüfung bei uns in Österreich, was eurem TÜV entspricht.) Jedoch stand sie plötzlich mit Motorschaden da und war deshalb extrem verbilligt. Das wäre schon etwas für mich gewesen: den Motor herrichten und so günstiger an die Harley kommen. Jedoch sollte es nicht sein, denn der Besitzer hatte das Bike bereits einem Händler versprochen.

Glücklicher Kauf

Einige Zeit später entdeckte ich eine weitere interessante Anzeige: Eine Electra Glide, Baujahr ’72, die der Besitzer beim Anmarsch des ersten Kindes vor gut 25 Jahren eingemottet hatte. Seither stand sie bei ihm in der Garage. Noch dazu gab es eine komplette Historie, woher das Bike stammte und was alles investiert wurde. Also perfekt für mich.

Gleich am nächsten Tag holte ich mir das Bike. Da bei solchen Käufen immer ein gewisses Risiko besteht, wollte ich gleich mal wissen, ob der Motor überhaupt läuft. Also den Vergaser provisorisch gereinigt, Öl reingekippt und die Batterie angehängt. Und siehe da: Der Motor war sofort da und blubberte vor sich hin. PERFEKT!!! Wenn der Motor mal läuft, dann hat sich die Sache schon ausgezahlt.

Es sollte allerdings noch ein gutes halbes Jahr ins Land gehen, bis es soweit war, dass die Harley aus dem Dornröschenschlaf geholt wurde.

Beginn der Restaurierung

Zu Beginn wandte ich mich dem Tank zu. Dieser wurde innen durch die lange Standzeit doch in Mitleidenschaft gezogen. Auch Rostlöcher waren zu sehen. Also habe ich überlegt, wie ich diese wieder schließen könnte.Da der Tank von der Lackierung her noch einen sehr guten Zustand hatte, wollte ich die Löcher nicht durch Schweißen oder Löten verschließen, um die Lackierung nicht zu beschädigen. Also, was tun?!

Rostlöcher mit Knetmetall verschlossen

Ich hatte die Idee, die Löcher mittels Knetmetall von außen zu verschließen. Innen würde der Tank dann mit einem Lack versiegelt werden. Somit sollte das Ding dann dicht werden.

Ich habe die Rostlöcher angeschliffen und das Knetmetall aufgetragen. Nach dem Austrocknen habe ich es verschliffen und danach mit einem annähernd passenden Lackspray ausgebessert. Für eine provisorische Reparatur ist es doch ganz gut geworden.


Innen habe ich zuerst mit Schrauben und vielen Rotationen den losen Rost beseitigt. Danach verwendete ich die Tankversiegelung von KREEM, die aus Reiniger, Entroster und Lack besteht. Die Versiegelung ist recht gut geworden und der Tank ist bis jetzt auch noch dicht.

Ganz wichtig!!! Reiniger und Entroster sind so aggressiv das sie den Lack angreifen. Also falls ihr sowieso den Tank neu lackieren wollt. Tankversiegelung VORHER verwenden. Sollte allerdings der Lack unberührt bleiben ist es unbedingt notwendig ein Wax als Schutz aufzutragen. Ich habe das Hi-Temp Wax von Innotec verwendet. Einfach aufsprühen und nach der Reinigung wieder mit Silikonentferner wegwischen.

KREEM Tanksiegel – Das Original aus Deutschland – hier ein paar Bezugsquellen:

Nun ging es zur Maschine selbst: Doch bevor ich beginnen konnte, war es notwendig, Zollwerkzeug zu kaufen. Aber… Nicht alle Schrauben sind zöllig. Ein bunter Mix. 😤😤

Das Zollwerkzeug habe ich mir bei Louis gekauft.

Herausforderung Ölleitungen

Ausgangssituation: die alten Ölschläuche

Ich begann damit, die Ölschläuche zu erneuern. Die Harley hat eine Trockensumpfschmierung und somit einen externen Öltank. Da dieser ganz oben angesiedelt ist, kann es immer wieder mal vorkommen, dass nach längerem Stillstand Öl in den Motor läuft, mit dem Effekt, dass massig Öl aus der Kurbelgehäuseentlüftung kommt beim Start.

Abhilfe schafft ein manuelles Ventil, das man in den Ölkreislauf einbaut. Dabei ist es gut, dass dieses Ventil mit einem Klickschalter versehen ist. Diesen habe ich in die Zündung integriert, damit man, wenn das Ventil geschlossen ist, nicht starten kann. Ohne Ölfluss wäre dann ein kapitaler Motorschaden vorprogrammiert.

Ursprünglich hatte ich Schläuche mit verchromtem Metallgewebe genommen, wobei ich diese nochmals auf klassische Gummischläuche mit Gewebeummantelung getauscht hatte. Einerseits sind die Gummischläuche vom Außendurchmesser kleiner und lassen sich besser verlegen. Außerdem tragen die dunklen Schläuche optisch viel weniger auf als die verchromten.

Weiters hatte ich bei dem Tausch bemerkt, dass der Rücklauf am Öltank falsch angeschlossen war. Mit dem Effekt, dass das Öl zwar brav zurück in den Öltank ging, aber nie gereinigt wurde, da es nie durch den Ölfilter ging. Das und noch einige andere Dinge zeigten mir mal wieder, dass wenn ein Bike nur von Fachwerkstätten betreut wurde, es noch lange nicht bedeutet, dass alles in Ordnung ist.

Genauso bei der Elektrik. Bei der Verkabelung wurde derart gepfuscht, dass ich mich dazu entschlossen hatte, den Kabelbaum komplett neu zu machen.

Vorderbau, Gabel, Bremsen

Weiter ging es an den Vorderbau. Dieser wurde komplett zerlegt, denn nicht nur die Gabel wurde revidiert, sondern auch das Lenkkopflager.

Auch die Vorderbremse mit Bremszylinder, Bremssattel und Schläuchen wurde komplett aufgearbeitet. Der Bremssattel musste leider erneuert werden. Der Kolben war so verschlissen, dass er andauernd verkantete. Außerdem war das Gewinde des Entlüftungsnippels beschädigt. Ein neuer Sattel war da günstiger und sicherer, als dies zu reparieren.

Natürlich wurden auch die Felgen aufgearbeitet und neue Reifen und Schläuche aufgezogen. Obwohl das Chrom an den Felgen bereits gelitten hatte, habe ich mich dazu entschieden, die Felgen nur zu reinigen und aufzupolieren.

Die Patina gehört für mich einfach dazu bei einem alten Motorrad.

Die Elektrik

Dann ging es an die Verkabelung. Das war dahingehend eine kleine Herausforderung, da der Kabelbaum, den ich organisiert hatte, nicht ganz passte und so einiges umgebaut werden musste. Weiters wollte ich die alte Blinktechnik, bei der der Blinker nur blinkt, wenn der Schalter gehalten wird, umbauen auf eine neue Lösung. Der eingesetzte Elektronikbaustein musste dann aber natürlich auch anders verkabelt werden.

Zum Schluss musste dann noch eine neue Position für die Blinker gefunden werden. Der Vorbesitzer hatte die vordere Scheinwerfer-Bar, an der auch die Blinker montiert waren, abgebaut. Das gefällt mir grundsätzlich recht gut, da die Optik im Gesamten etwas schlichter wird. Aber ohne Blinker geht es halt nicht.

Hinterbau

Nächster Punkt war das Hinterteil. Hintere Dämpfer und Kettenantrieb sahen noch gut aus. Darum habe ich sie vorerst nicht erneuert.

Jedoch wurde die Trommelbremse mit dem Bremszylinder revidiert und auch die Felgen wurden aufgearbeitet. Schläuche und Reifen wurden wieder erneuert.

Motor und Zündung

Zum Schluss wurde der S&S Vergaser generalüberholt und nachdem der Motor das erste Mal vor sich hin blubberte, baute ich auch noch die Zündung von Unterbrecherkontakt auf eine moderne, kontaktlose Zündung um.

Schlussphase – Fazit

Obwohl grundsätzlich nicht wirklich viel zu machen war, dauerte es aufgrund von Zeitmangel über ein Jahr, bis ich fertig war.

Das Pickerl zu erhalten war dann nur noch ein Formalakt. Jetzt bleibt bei den ersten Fahrten abzuwarten, was noch alles an Stehschäden zum Vorschein kommt.

Jedoch im Moment läuft die Harley super und der Sound ist beeindruckend. Bei den offiziell eingetragenen 104 Dezibel freut das auch die gesamte Nachbarschaft. 😇

Fazit: Harley herrichten? Würde ich wieder machen. Es macht Spaß mal ein anderes Konzept als die ganzen Japaner auf der Werkbank zu haben. Auch wenn es mit dem Mischmasch an Schraubentypen manchmal nicht einfach ist. Es muss jedoch einem klar sein dass Ersatzteile teuer sind. Vieles wird aus den USA importiert und vom Material hochwertig, damit der Bling Bling Effekt nicht durch die Teile leidet. Schon allein was die Ölleitungen mit Metallgewebe gekostet hatten, die ich dann doch nicht verwendet hatte. Die Harley Ersatzteile habe ich größtenteils bei W & W Cycles gekauft, die vom Versand her wirklich top sind. 3 Tage von Bestellung in DE und Lieferung in AT ist wirklich flott.


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